Bericht 5. Montagsdemo, 8. November 2010 — Wowereit: Der Protest ist berechtigt

Trotz des nass-kalten Wetters waren wieder 5.000-6.000 Demonstranten aus Lichtenrade, Nord-Mahlow und der Umgebung zur mittlerweile traditionellen Montagsdemonstration gegen die abknickenden Flugrouten gekommen. Auch, weil sich Klaus Wowereit angekündigt hatte, war diesmal das Aufgebot an Presse und Medien größer als je zuvor.

Simon Lietzmann, von der Bürgerinitiative „Lichtenrade/Mahlow-Nord gegen Fluglärm“ erläuterte noch einmal, wie sich die Situation für Lichtenrade und Mahlow-Nord darstellt:

Startende Flugzeuge in einer Höhe von 500 Metern an 70 Prozent der Tage im Jahr, alle vier Minuten — das sind die Pläne der deutschen Flugsicherung für Lichtenrade und Mahlow-Nord, die bisher nie als vom Fluglärm betroffen galten. Damit wäre diese Region nicht nur „neu-betroffen“, sie wäre völlig überraschend und nun ganz plötzlich, die weitaus am stärksten betroffene Gegend überhaupt. Stärker betroffen, als die Gemeinden, die bisher bisher als am stärksten betroffen galten.

Er forderte den Gastredner, Herrn Wowereit auf, Stellung zu beziehen.

Nach einer lautstarken Begrüßung mit vielen Buh-Rufen durch die Demonstranten, gab dieser eine nicht von allen so erwartete Stellungnahme ab:

Ich habe hohen Respekt vor Ihrem Protest, weil – er ist berechtigt. Weil Sie sich in der Tat in den vergangenen Jahren darauf verlassen haben, dass die Flugrouten, so wie sie immer in der Diskussion waren, auch Bestand haben würden.
Und die Bürgerinitiative hat zu Recht beim Gespräch bei mir im Rathaus auch deutlich gemacht, wie viele Menschen sich in den letzten Jahren auch entschieden haben, in Lichtenrade, im Roten Dudel oder in Waldblick Häuser zu kaufen oder tatsächlich ihre Entscheidung zu treffen sich dort anzusiedeln. Und dass damit sehr viel Enttäuschung verbunden ist, mit dem was jetzt vorgelegt worden ist. Und damit sage ich auch ganz deutlich [...] die jetzt vorgelegten und vorgeschlagenen Flugrouten sind aus Sicht des Senats inakzeptabel.
[...]
Die Sicherheitsfragen sind natürlich wichtig. Ich sage an dieser Stelle aber auch, das was hier unter „Wirtschaftlichkeit“ gesagt worden ist oder [was] ökonomische Belange von Fluggesellschaften [angeht]: Die sind nachrangig.
[...]
Und die Abweichung um 2-mal 15 Grad ist nicht notwendig. Das heisst — die Abweichung von um die 15 Grad bei der südlichen Startbahn, die ist in Ordnung, weil sie entlastet Menschen [...] dagegen kann keiner etwas haben.
[...]
Und die Wirtschaftlichkeit: Ich weiss, dass Fluggesellschaften immer gerne den kürzesten Weg nehmen, aber ich sag’ mal, da kann es nicht auf ein paar Liter Kerosin ankommen, wenn hier ‘ne Lärmbelästigung verringert wird.
[...]
Zu den Parallelstarts: Es gibt zur Zeit relativ wenig Parallelstarts. Trotzdem — ich würde Ihnen was Falsches sagen, wenn ich Ihnen sagen würde: Das bleibt so. Das wird mehr werden, und zwar in den Spitzenzeiten. Das wird irgendwann, wenn der Flughafen so erfolgreich wird, wie wir uns das erhoffen, wird das mehr werden. Deshalb bauen wir ihn ja.
Auch ein Drehkreuz ist nicht ausgeschlossen. Früher war es ausgeschlossen, war Phantasie und Utopie heute ist es [das] nicht mehr. Wir bauen den Flughafen nicht, damit er erfolglos bleibt, meine sehr verehrten Damen und Herren — das muss man so sehen. Und deshalb will ich Ihnen da auch nichts vormachen. [...] Parallelstarts sind nicht zu vermeiden.
[...]
[Das große Drehkreuz] hat mit Wirtschaftlichkeit nichts zu tun — nein, es hat mit Ihren Arbeitsplätzen etwas zu tun. [...] Und deshalb wird der Flugplatz auch auf die Perspektive gebaut. Das ist der Sinn dieses Flughafens.
[...]
Deshalb geht es nicht darum, eine Wirtschaftlichkeit dieses Flughafenbetriebes hinzukriegen, das ist gegeben und hat nicht mit der Frage wo die langfliegen zu tun, sondern die Wirtschaftlichkeit heisst: Wieviel Kapazität wird dieser Flughafen haben? Und wir werden mit 22 Millionen [Passagieren] starten, und es werden hoffentlich mehr werden. Und deshalb ist es nicht machbar, gänzlich auf Parallelstarts zu verzichten.
[...]
Ich kann Ihnen nicht sagen, dass das in zwei Monaten abgeschlossen ist, aber unser Ziel ist eine zügige veränderte Entscheidung für die Flugrouten hinzubekommen, in Ihrem Sinne, dass Lichtenrade und der Norden von Mahlow, wie es bislang vorgesehn war, geschont bleibt. Nicht ganz — aber so wie es bisher geplant war. Das ist die Position des Senats und die werde ich auch mit Vehemenz auf allen Kanälen die möglich sind, vertreten und versuche Einfluß auszuüben auf die Entscheidung, die dann zu treffen ist.

Danach ergriff der Bundestagsabgeordnete für Tempelhof, Dr. Jan-Marco Luczak (CDU), das Wort:

Ich bin sehr froh, dass wir jetzt vor wenigen Tagen Rückenwind von ganz oben für unser Anliegen bekommen haben, dass unser Bundesverkehrsminister, Herr Ramsauer, sich ganz klar und eindeutig hinter uns gestellt hat, als er gesagt hat: „Die alten Flugrouten ist das, was wir wollen“ [...]. Der Bundesverkehrsminister — sozusagen als Stellvertreter für den Gesellschafter [der Flughafengesellschaft] „Bund“ ist ganz klar auf unserer Seite, das heisst an ihm wird diese Frage, dass wir die Nordbahn geradeaus fliegen [...] nicht scheitern. Dashalb möchte ich hier nochmal deutlich darauf hinweisen: Das Land Berlin, und Herr Wowereit auch als Aufsichtsratsmitglied vom BBI — Sie sind jetzt hier in der Verantwortung. Sehen Sie sich die Menschen in Ihrer alten Heimat Lichtenrade an, und dann sorgen Sie dafür, dass diese Menschen wieder in die Politik in Berlin vertrauen können, sorgen Sie dafür, dass wir die alten Flugrouten zurückbekommen.

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Eine Antwort zu Bericht 5. Montagsdemo, 8. November 2010 — Wowereit: Der Protest ist berechtigt

  1. Curry schreibt:

    Wenn auf Parallelstarts nicht verzichtet werden kann, kann man aber ein Time sharing
    der Starts erwarten und fordern. Ein Abstand der Starts von ca. 30 sec. wechselseitig auf Nord- und Südbahn würde die Kapazität doch nicht schmälern es ist nur ein bescheidener Mehraufwand des DFS. Damit wäre das Abknicken der Flugrouten vom Tisch und die zusätzliche Lärmbelästigung von 100 000 Menschen entfällt.
    Außerdem sind die beiden Startbahnen 1,9 Km entfernt und damit könnten sogar Parallelstarts ohne Sicherheitsrisiko durchgeführt werden. Die Flugspuren vom Frankfurter Flughafen zeigen auch kein Spreizen und die Flugzeuge kreuzen schon die Richtungen in 900 m.